Wir sitzen uns krank - Bewegung ist ein Allheilmittel
Sie sind die Epidemie des Büro-Zeitalters: Rückenschmerzen. Rund drei Viertel aller Deutschen leiden oder litten unter ihnen. Und es werden immer mehr. Dabei gibt es einige einfache Mittel, wie man den Schmerzen vorbeugen kann.
Rückenschmerzen breiten sich in den letzten 20 Jahren in den Industrienationen aus wie eine Epidemie. Die Beschwerden im Rücken sind bereits seit Jahren zur Volkskrankheit Nummer eins geworden. Der Krankheitserreger ist in diesem Fall kein Virus und kein Bakterium, sondern die Bewegungsarmut der Menschen. Also ein Umstand, den jeder mit relativ wenig Aufwand leicht verändern könnte. Dazu gehört jedoch eine gute Portion Selbstdisziplin.
Die "bessene" Gesellschaft
Rund 17 Millionen Menschen verbringen in Deutschland ihren Arbeitsalltag im Büro an einem Schreibtisch, vorwiegend sitzend. Der Weg zum Büro und wieder nach hause wird meistens ebenso sitzend im Auto oder in öffentlichen Verkehrsmitteln überwunden. Zu Hause angekommen, setzen sich die meisten vor den Fernseher oder den Computer und schleppen sich schließlich von der Couch ins Bett.
Vor allem mit dem Einzug des Internets in unseren Alltag werden wir viele Stunden fast bewegungslos am Monitor festgehalten. Mussten vor zehn Jahren noch stapelweise Akten bewegt werden, geht das heute alles per Mausklick. "Daraus ist eine extreme Arbeitsverdichtung entstanden, die auch zu Rückenschmerzen führen kann", erklärt Dr. Ulf Marnitz, Facharzt im Rückenzentrum Berlin.
Für diese einseitige Belastung speziell des Stütz- und Bewegungsapparates ist der menschliche Körper jedoch nicht ausgestattet. Körperlich sind wir Menschen immer noch auf die Zeit, in der wir Jäger und Sammler waren, und damit auf viel Bewegung eingestellt. Das alltägliche Übermaß an Sitzen kann sogar bei jungen Menschen relativ schnell zu gesundheitlichen Problemen führen.
Hinzu kommt: Nachweislich stehen heute Arbeitnehmer wesentlich mehr unter Stress als noch vor 20 oder 30 Jahren. Das führt dazu, dass vermehrt das Stresshormon Adrenalin ausgeschüttet wird. Dieses Hormon soll den Körper leistungsfähig machen. Diesem Impuls gehen im Büro sitzende Menschen zumeist auf körperlicher Ebene nicht nach, so dass ein Ungleichgewicht im Körper entsteht. "Wenn Stress nicht in Bewegung umgesetzt wird, entstehen Muskelverspannungen, vor allem im Nackenbereich", so Marnitz weiter. Aus diesem Grund ist es so wichtig, die durch Stress entstandene innere Anspannung so oft wie möglich in Bewegung umzuwandeln.
Die Muskeln sind schuld
Rund 70 Prozent aller Rückenschmerzpatienten leiden unter muskulären Verspannungen. Bei 10 bis 20 Prozent sind psychogene, also seelische Ursachen für die Schmerzen verantwortlich, nur 5 bis 10 Prozent der Patienten haben somatische, also körperliche Beeinträchtigungen, die beispielsweise von Fehlstellungen herrühren und so zu Rückenbeschwerden führen. Bei einigen Patienten können sogar Spezialisten die Ursachen nicht einwandfrei klären.
Es gibt zwei verschiedene Arten von Muskeln im Rücken: die tiefe Steuerungsmuskulatur mit den steuernden Rückenmuskeln und die oberflächliche Arbeitsmuskulatur. Der Rücken ist mit reichlich unbewußt tätigen, steuernden Tiefenmuskeln ausgestattet. Diese Muskeln arbeiten selbstständig und werden im bewegten Alltag unbewusst benutzt. Bewegen wir uns zu wenig, geht diese Selbstständigkeit verloren. Bei Rückenschmerzen werden zudem diese Muskeln abgeschaltet. Die Ursachen dafür sind bisher noch unklar.
"Patienten mit Rückenschmerzen müssen erst einmal wieder lernen, die beiden verschiedenen Muskelarten des Rückens gezielt anzusteuern. Das ist nur mit einer qualitativ hochwertigen Physiotherapie (Anmerkung Jürgen Altmeyer: auch und vor allem ein gut ausgebildeter Personal Fitness Trainer kann diese Aufgabe übernehmen) möglich und dauert ungefähr zwei bis drei Monate. Massagen greifen meistens nur an der Oberfläche und dringen nicht zur Ursache vor", erklärt Marnitz im Gespräch mit . Die Patienten sollen durch Übungen und Aufklärung selbst zu Rückenspezialisten gemacht werden. Zudem müssen die Ärzte helfen, die psychischen Barrieren des Patienten zu lösen. Das Gespräch mit einem Patienten über seine Erkrankung ist das A und O für dessen Heilung. "Der Arzt muss dem Patienten die Angst vor Bewegungsfehlern nehmen", betont Marnitz.
Bandscheibenvorfälle gehören heute beispielsweise zum Altern wie weiße Haare und werden nur noch in Einzelfällen bei Lähmungserscheinungen operiert. Die meisten Patienten mit dieser Diagnose bekommen in der akuten Phase Schmerzmittel und werden danach mit Physiotherapie unterstützt. Diese Art der Behandlung ist vielversprechend. Um aber auch künftig nicht wieder unter Rückenschmerzen leiden zu müssen, empfehlen Ärzte für die Zeit danach: bewegen, bewegen, bewegen.
Mehr Bewegung täglich
Auch für alle Menschen, die noch keine Rückenschmerzen haben, gilt: jeder Sport und jede Art von Bewegung sind empfehlenswert. Schon jedes Aufstehen im Büro und jedes genüssliche Strecken vor dem Bildschirm ist für den Rücken nützlich. Auch Sportarten, die vor einiger Zeit noch als rückenschädlich bezeichnet wurden, wie Hockey oder Tennis, dürfen regelmäßig betrieben werden. Das Mindestmaß der sportlichen Betätigung ist zwei Mal die Woche eine Stunde lang. "Besser einen wenn auch vermeintlich rückenschädlichen als keinen Sport", betont Marnitz. Auch der Weg zu und von der Arbeit sollte mit Bewegung verbunden werden. Am besten sei es, täglich zwei Busstationen zu laufen oder gleich das Fahrrad zu nehmen, so der Facharzt.
Auch wenn die deutsche Industrienorm seit vielen Jahren klare Vorgaben hat, wie ein rückenfreundlicher Büroarbeitsplatz für Mitarbeiter ausgestattet sein sollte, gehen immer mehr Menschen mit Rückenbeschwerden zum Arzt. Dabei reichen schon drei Übungen alle zwei Stunden aus, um die Rückenmuskulatur einmal von unten nach oben in Gang zu setzen. Mit dem Beckenkippen kann die untere Rückenmuskulatur aktiviert werden. Das Strecken der verschränkten Hände über dem Kopf und das Einrollen danach sind gut für die Muskeln der Brustwirbelsäule. Das seitliche Kopfnicken aktiviert die Hals- und Nackenmuskeln. Je mehr Menschen diese Übungen regelmäßig machen, umso mehr werden die Bewegungen zur Normalität - und Rückenbeschwerden wird vorgebeugt.
Quelle: n-TV.de; Donnerstag, 24. März 2011 von Jana Zeh
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